Im Aquarium

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Montag, 15. Februar 2016

Antidemokraten

Ganz ehrlich: Ich habe wesentlich mehr Angst vor Gutmenschen als vor Terroristen.


Die Chance, einen Terroristen zu treffen, ist gering. Den Gutmenschen kann man leider nicht entkommen, und viele von ihnen sind nicht minder fanatisch. Terroristen können Bomben werfen und Menschen töten, aber keine Demokratie zerstören. Gutmenschen schon.

Die Berliner Antifa hat vor einigen Monaten eine Apotheke verwüstet, weil der Besitzer die „Pille danach“ nicht verkaufen wollte. Von einer Bibliothek weiß ich, dass der damalige Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky durch Trillerpfeifen und Sprechchöre daran gehindert wurde, aus seinem Buch zu lesen. Das gleiche geschieht übrigens regelmäßig bei Veranstaltungen zu Männerthemen. Veranstalter erhalten Bombendrohungen, wenn sie Männerrechtlern eine Plattform bieten, um ihre Position darzustellen. An deutschen Unis werden Arbeiten von Studenten schlechter bewertet, wenn sie nicht gendern oder der Genderideologie nach dem Mund reden.

Im einer Nachrichtensendung im Fernsehen sah und hörte ich einmal, wie ein Gutmensch, der gegen eine Lesung von Thilo Sarrazin protestierte, folgenden Satz ins Mikrofon sprach, im Brustton der Überzeugung und offenbar ohne sich bewusst zu sein, welches Armutszeugnis er sich gerade ausstellte: „Ich habe sein Buch nicht gelesen, aber wenn ich es gelesen hätte, wäre ich dagegen.“ Das ist das Niveau, auf dem heutzutage Meinungsbildung stattfindet. Und nur fürs Protokoll, um keine falschen Verdächtigungen aufkommen zu lassen: Ich verteidige nicht Sarrazins Buch. Wie könnte ich, ich habe es ja wie obiger Demonstrant nicht gelesen. Im Gegensatz zu diesem erlaube ich mir deshalb auch kein Urteil darüber.

Sind wir schon wieder so weit, dass die richtige Gesinnung wichtiger ist, als was jemand zu sagen hat? Ich wurde mal in bester Absicht darauf aufmerksam gemacht, es sei nicht gut, Autor XY als Quelle für die Historie der Kriminologie anzugeben, der sei „rechts“. Und deshalb kann er nichts Sinnvolles darüber zu sagen haben, wann die Daktyloskopie erfunden wurde?

Als jemand, der viel über die Weimarer Republik recherchiert, erschrecken mich manche Parallelen. In den Zwanzigerjahren war ebenfalls Gesinnungsterror in Mode. Wer nur laut genug betonte, er habe aus Nationalgefühl gehandelt, kam mit so ziemlich jedem Verbrechen davon. Und dass es heutzutage die linken Demagogen sind, die mit allem davonkommen, wenn sie nur die richtige Betroffenheitslyrik absondern, stellt für mich noch keinen Fortschritt dar. Das sage ich übrigens als jemand, der sich selbst im linken Spektrum verortet.

Und allein die Tatsache, dass ich mich jetzt schon zum zweiten Mal gegen falsche Verdächtigungen absichere, zeigt, was der Gesinnungsterror der Gutmenschen in diesem Land bereits angerichtet hat. Andere – sehr viele andere – wagen von vornherein nicht, den Mund aufzumachen und zu sagen, was sie denken. Weil sie Angst haben. Angst vor beruflichen Schwierigkeiten, Angst vor Anfeindungen, Angst davor, mit einem üblen Etikett versehen und als reaktionär abgestempelt zu werden.

Neulich habe ich mal versuchshalber in Kreuzberg, wo bekanntlich die Gutmenschendichte höher ist als anderswo, ein paar Flyer für mein Buch über die unsichtbare Welt der Männer, „Verwundbar sind wir und ungestüm“, an Laternenpfähle und Papierkörbe geklebt. Die meisten davon sind erwartungsgemäß innerhalb kürzester Zeit heruntergerissen worden. Denn der Gutmensch erträgt keine andere Meinung als seine eigene.

Gutmenschen sind unduldsam, intolerant und antidemokratisch. Sie denken in Kategorien von gut und böse statt richtig und falsch. Wer nicht ihrer Meinung ist, gilt ihnen als Feind. Dass es sich lohnen kann, gelegentlich Andersdenkenden zuzuhören, um seinen Horizont zu erweitern, ist in ihrem Weltbild nicht vorgesehen. Lieber beschimpfen sie Menschen mit einer anderen Meinung als Nazis (in feministischen Zusammenhängen auch als „Maskutroll“, was für sie dasselbe ist). Die politische Korrektheit, ihr Herrschaftsinstrument, ist nichts anderes als ein Denkverbot. Gutmenschen sind davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen und deshalb das Recht zu haben, auf Abweichler einzudreschen. Im übertragenen Sinne und wortwörtlich. Es dient ja einem höheren Ziel, da muss man es mit den Methoden nicht so genau nehmen, nicht wahr? Dieselbe Argumentation kennen wir von jedem Diktator und jeder KZ-Wärterin. Die edlen Absichten. Wo gehobelt wird, und so weiter. Der Zweck heiligt die Mittel.

Die Feinde der Demokratie erkennt man nicht zwangsläufig an ihren Zielen. Aber immer an ihren Methoden.

(Dieser Artikel erschien zuerst am 12.4.2015 in meinem Blog "Pfützenfische")

1 Kommentar:

  1. Alternativlos ist es schon, was passiert - aber nicht gut, sondern verlogen:


    http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=LEGISSUM:r15001

    http://www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-3577

    https://de.wikipedia.org/wiki/Union_f%C3%BCr_den_Mittelmeerraum

    https://ec.europa.eu/research/iscp/pdf/policy/barcelona_declaration.pdf

    https://www.brusselsjournal.com/node/2018


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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn gelesen und geprüft habe, schalte ich ihn frei.
Viele Grüße
Gunnar